Elisas Weihnachtswunder – Eine lesbische Geschichte

Kurzbeschreibung:

Ein Sommerurlaub mit ihren besten Freunden. Darauf hat sich Maria bereits seit Wochen gefreut. Ihr Ex-Freund, mit dem sie mittlerweile eine Freundschaft verbindet, hat die Clique ins Ferienhaus seiner Eltern eingeladen und ihnen einen unvergesslichen Sommer versprochen. Bei strahlendem Sonnenschein erreichen sie und ihre beste Freundin Natalie die großzügige Ferienunterkunft, die direkt an dem idyllischen Waldsee gelegen ist. Der ideale Ort, um zu Entspannen und eine tolle gemeinsame Zeit zu verbringen. Als Maria am zweiten Tag im Alleingang über den See schwimmt, entdeckt sie am gegenüberliegenden Ufer eine mysteriöse Frau. Bevor Maria sie näher in Augenschein nehmen kann, ist sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Ab diesen Moment drehen sich sämtliche Gedanken um die geheimnisvolle Unbekannte. Maria muss unbedingt herausfinden, ob sie tatsächlich existiert oder Maria sie sich nur eingebildet hat. Als sie der Frau tatsächlich begegnet, muss Maria nicht nur feststellen, dass sie sich unglaublich zu ihr hingezogen fühlt, sondern, dass diese Frau auch ein großes Geheimnis in sich trägt. Schon bald vertraut sich Leonora ihr an. Doch Maria kann zuerst nicht glauben, dass diese Frau wirklich eine Hexe sein soll. Erst, als sie Leonoras Fähigkeiten mit eigenen Augen sieht, ist sie überzeugt. Schnell wird allerdings klar, dass dieses Wissen über Leonora gleichzeitig eine Gefahr mit sich bringt. Ob Maria und Leonora ihren Widersachern trotzen können?

Leseprobe

Kapitel 1

„Alles klar, ihr bringt den Nachtisch mit und ich mache die Gans mit allem, was dazu gehört“, sprach Elisa, während sie den Wagen vor der Grundschule parkte.

„Gut. Ich freue mich schon. Nehmen Mama und Papa den Zug, oder fahren sie mit dem Auto?“, ertönte die Stimme von Elisas Schwester durch die Freisprechanlage.

„Sie wollen den Zug nehmen. Es soll die nächsten Tage zwar nicht mehr schneien, aber es könnte glatt sein.“

„Sehr gut, dann brauchen wir uns um die beiden wenigstens keine Sorgen zu machen. Ok, Schwesterherz, ich muss auflegen. Die Zwillinge kommen gleich von der Schule und ich muss noch schnell was zu essen zaubern.“

Der Zeitpunkt war günstig, denn Elisa sah bereits ihren kleinen Timi mit seinem riesigen Schulranzen aus dem Schulgebäude schlendern. Er hatte seine Mutter noch nicht entdeckt und alberte mit seinen Freunden herum. Er schnappte sich eine Hand voll Schnee von einer Mauer und stopfte sie Paul von hinten in den Kragen seiner Jacke. Pauls Rache ließ nicht lange auf sich warten und er griff sich ebenfalls so viel Schnee, wie seine beiden Hände tragen konnten. Sowohl Timi, als auch Samuel bekamen eine Ladung Pulverschnee ins Gesicht und nun erst begann die Schlacht.

Elisa seufzte, denn sie wusste, das könnte jetzt eine Weile dauern. Die Zeit hatte sie allerdings nicht, sie musste ja noch so vieles in den zwei Tagen bis Heiligabend organisieren. Es gab noch keinen Weihnachtsbaum, die Wohnung war noch nicht vollständig dekoriert und bis auf die Gans war noch nichts eingekauft.

Seit der Trennung von Petra war vieles schwerer geworden. Sie musste jetzt alles allein planen und als alleinerziehende, berufstätige Mutter kam sie kaum noch zur Ruhe. Aber Timi gab ihr die Kraft, niemals den Kopf in den Sand zu stecken.

Im Januar würde sie genau ein Jahr Single sein. Die Zeit war ja so schnell rumgegangen. Ihr kam das höchstens wie ein paar Monate vor, aber immerhin vermisste sie Petra nicht mehr. Zweimal hatte sie Elisa betrogen. Nach dem ersten Fremdgehen hatte sie ihr ewige Treue geschworen und sogar einen Heiratsantrag gemacht. Vielleicht war der Grund für den zweiten Betrug, dass Elisa den Antrag nicht sofort annehmen wollte, aber das spielte letztlich keine Rolle mehr. Sie warf Petra kurzerhand raus und inzwischen war sie aus ihrem Leben verschwunden. Manchmal fehlte Elisa jemand an ihrer Seite. Besonders, wenn sie abends zur Ruhe kam, wenn Timi endlich im Bett lag. Vieles konnte sie mit ihrer besten Freundin besprechen. Sie telefonierten mehrmals die Woche. Wenn Susannes Freund Spätschicht hatte, sogar stundenlang. Aber ein richtiger Ersatz für eine Beziehung war das eben doch nicht. Auch Susanne sah das so und versuchte seit Monaten, Elisa zu überreden, sich wieder mit Frauen zu verabreden.

„Wann soll ich das denn machen? Ich habe doch gar keine Zeit“, argumentierte Elisa dann.

„Ach papperlapapp. Du weißt ganz genau, dass du Timi auch mal zu uns bringen kannst. Er ist gerne bei uns.“

Meistens endeten die Diskussionen im Nichts und Elisa wechselte genervt das Thema. Doch bevor sie sich wieder um ihr Liebesleben kümmern konnte, stand nun aber erstmal Weihnachten an. Heute begannen die Schulferien und damit auch Elisas Urlaub. Sie hatte für heute geplant, wenigstens schon mal den Weihnachtsbaum zu kaufen. Morgen sollte dann der Einkauf für das Festessen folgen. Aber nun musste sie zunächst ihren Sohn aus dem schneebedeckten Kinderknäul befreien, das sich auf dem Schulhof gebildet hatte. Inzwischen hatten sich weitere Kinder zur Schneeschlacht animieren lassen und der Schulhof glich einem Schlachtfeld. Die weißen Pulverberge flogen Kreuz und quer durch die Luft und explodierten an den Jacken und Köpfen der Kinder, bis deren Gesichter vor Kälte rot zu glühen begannen.

„Timi“, rief Elisa einige Meter Abseits vom Treiben. Doch er hörte sie wie erwartet nicht. Also musste sie ihn wohl oder übel da rausholen. Sie zog ihren Kopf ein, wich hier und da einer Schneeattacke aus und griff schließlich Timis Ärmel. Nun bemerkte er sie und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, denn er hatte sie in dem Tumult völlig vergessen.

„Tut mir leid Mama“, sagte er, nachdem beide bereits im Auto saßen. Jacke und Hose waren völlig durchnässt und seine Hände brannten nun durch den Wechsel ins Warme.

„Ist schon gut“, sagte Elisa liebevoll, während sie ihn im Rückspiegel betrachtete.

„Wie nass ist die Hose? Bis auf die Haut?“

Timi rieb unwillkürlich seine Oberschenkel und sah danach seine Mutter schuldbewusst an. Elisa seufzte: „Na gut, dann fahren wir jetzt noch schnell nachhause und ziehen dich um. Und danach holen wir einen Weihnachtsbaum, ok?“

Beim letzten Satz begannen Timis Augen zu leuchten.

„Nehmen wir einen ganz großen?“

„Ja, versprochen“, antwortete sie und zwinkerte in den Rückspiegel.

Die beiden besaßen ein kleines Häuschen am Rande der Stadt. Elisa kaufte es kurz nach Timis Geburt und kam damit dem letzten Wunsch ihrer Großmutter nach. Diese hatte es zu Elisas Bedauern nicht mehr bis zur Geburt ihres Urenkels geschafft, sorgte aber mit ihrem Erbe dafür, dass ihre Enkelin sich das Haus leisten konnte. Elisa war ihrer Großmutter sehr dankbar für diese großzügige letzte Geste. Dank ihr konnte Timi nun in einer ruhigen Nachbarschaft aufwachsen und auch ohne ständige Aufsicht draußen spielen. Sie bogen in ihre Straße ein und steuerten das Ende der Einbahnstraße an, da fiel Timi direkt ein fremdes Auto vor dem Nachbarhaus auf.

„Da ist ein Auto vor Tante Gerdas Haus.“

Er deutete mit dem Zeigefinger darauf.

„Stimmt Schatz, wer das wohl sein mag?“, antwortete Elisa verwundert.

Tante Gerda war eigentlich Frau Markgraf und wohnte bis zuletzt in dem Haus links neben Elisas. Die alte Dame war weit über achtzig als Elisa einzog. Ihr genaues Alter hatte sie allerdings bis zum Schluss nicht verraten. Sie war für Timi fast wie eine Oma. Im Sommer spielte er oft in ihrem Garten und durfte so viele Erdbeeren und Johannisbeeren pflücken, wie er essen wollte. Doch in diesem Jahr wurde sie krank. Sie musste mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Elisa besuchte sie dort, so oft sie konnte, denn die arme Frau hatte in Deutschland keine Verwandten. Doch sie erholte sich nicht mehr und starb vor etwa einem Monat. Es fand eine anonyme Bestattung statt und seitdem stand das Haus leer.

„Wohnen da jetzt neue Leute?“, fragte Timi seine Mutter.

Sie fuhren jetzt direkt an dem kleinen roten Bus vorbei, der bis unters Dach mit Kartons beladen war. Elisa blickte beim Vorbeifahren zum Haus, konnte aber niemanden sehen.

„Tja, das weiß ich nicht. Sieht aber ganz so aus.“

Neugierig war sie nun schon und am liebsten wäre sie rübergegangen, um einfach mal nachzufragen. Allerdings wollte sie die neuen Nachbarn nicht überrumpeln, wer weiß, ob sie überhaupt an Kontakt interessiert waren. Während sie und Timi zu ihrer Haustür liefen, konnte sie nicht umhin, immer wieder zum Haus der alten Frau Markgraf zu schielen. Jedoch war weiterhin niemand zu sehen.

„So, dann geh mal hoch in dein Zimmer und zieh dir trockene Sachen an“, wies sie Timi an, als sie das Haus betraten.

Er warf den Schulranzen unachtsam in die Ecke, zog mit den Füßen seine Schuhe aus und rannte die Treppe herauf. Elisa ging solange in die Küche und wollte sich noch schnell einen Kaffee machen, bevor sie sich wieder auf den Weg machten. Die Maschine ließ mit einem gleichmäßigen Brummen den Kaffee in die Tasse laufen und Elisa überbrückte die kurze Wartezeit, indem sie ihr Handy hervorholte. Huch, eine Nachricht von Susanne.

„Hab mit Daniel gestritten. Hast du Zeit?“ stand im Display.

Die Nachricht war fünf Minuten alt. Sofort wählte Elisa die Nummer ihre beste Freundin. Direkt beim ersten Klingeln nahm Susanne ab.

„Danke, dass du anrufst. Daniel ist ja so ein Arsch.“, schluchzte sie.

„Was ist denn passiert?“

„Ach, natürlich geht es mal wieder um meine Familie. Wir sollen am zweiten Feiertag zu meinen Eltern kommen. Das war schon seit Monaten so besprochen. Daniel wusste das. Und nun erfahre ich ganz nebenbei, dass er sich mit seinen Kumpels zum Skifahren verabredet hat. Angeblich wusste er nichts davon, dass wir verabredet sind.“

Elisa seufzte. Das war nicht das erste Mal, dass Daniel seine Interessen über Susannes stellte. Er war manchmal ein echter Egoist. Trotzdem war er ein lieber Kerl, aber genau das machte das Leben mit ihm ja so furchtbar schwer.

„Und jetzt?“, fragte sie Susanne.

„Jetzt bin ich gerade auf dem Weg zu dir. Ich bin in fünf Minuten da. Kann ich bei dir schlafen?“

Auch das war nichts Neues und natürlich hatte Elisa nichts dagegen.

„Eigentlich wollte ich noch den Baum kaufen, aber das kann ich auch morgen früh machen“

„Danke, ich gebe uns dreien heute Abend eine Pizza aus“

In dem Moment kam Timi um die Ecke geflitzt und sah seine Mutter erwartungsvoll an.

„Schatz, wir holen den Baum morgen früh. Susi kommt uns heute besuchen und es gibt Pizza“

Timi quietschte vor Freude, denn er liebte Susi. Sicher würde sie wieder mit ihm spielen und das konnte sie ausgezeichnet.

Wenige Minuten schellte es an der Haustür. Timi, der gerade mit seinen Playmobil Cowboys spielte, sprang auf und rannte zur Haustür.

„Nicht so rennen“, rief Elisa ermahnend hinterher, aber Timi war schon außer Hörweite.

Sie erkannte Susannes Stimme und ging ebenfalls in den Flur.

„Hallo Eli, ich habe euch was mitgebracht.“, sie hielt strahlend einen kleinen Mistelzweig hoch, „der kommt direkt über die Haustür.“

Elisa lachte: „Na toll, dann werde ich übermorgen meiner gesamten Verwandtschaft beim Knutschen zusehen müssen“

Timi sah beide fragend an: „Wieso knutschen?“

„Das ist ein Weihnachtsbrauch. Man hängt den Zweig über die Haustür und wenn man zu zweit darunter steht, muss man sich küssen.“, erklärte ihm Susanne, „Komm, wir hängen ihn auf und dann zeige ich es dir.“

Elisa organisierte Nagel und Hammer und Susanne befestigte den Zweig. Dann rief sie Timi zu sich, zeigte nach oben und gab ihm einen dicken Schmatzer auf den Hals.

„Ah, das kitzelt“, giggelte er und wehrte sich vor einer weiteren Knutschattacke.

Danach gesellten sich die zwei Frauen ins Wohnzimmer. Elisa entzündete den Kamin, der das Beste am ganzen Haus war, wie sie fand. Der dezente Geruch von verbranntem Holz und das leise Knistern des Feuers schafften eine gemütliche winterliche Atmosphäre. Susanne hatte sich bereits ihren Lieblingsplatz auf dem Sofa geschnappt und Timi führte ihr seine neuesten Spielzeuge vor.

„Ich hole mal die Pizzakarte aus der Küche. Willst du auch einen Tee?“, fragte Elisa.

„Tee?“, Susanne verzog das Gesicht, denn sie war keine Teetrinkerin.

„Mit Rum?“, ergänzte Elisa grinsend und Susanne lachte.

„Ja, ok“

Nachdem Elisa mit dem Tee und der Karte zurück war, gaben sie die Pizzabestellung auf und unterhielten sich über den Streit mit Daniel. Timi fand das langweilig und widmete sich wieder seinen Cowboys.

Irgendwann kam die Pizza und die drei ließen sie sich schmecken.

„Mama, kann ich gleich noch einen Film sehen?“, flehte er, denn eigentlich, das wusste er genau, musste er nach dem Essen ins Bett gehen.

„Na schön, aber nur, weil Ferien sind. Und danach geht es direkt ab ins Bett. Ohne Widerworte.“, sagte sie streng, aber im sanften Tonfall. Timi jubelte und ging sofort zur Schublade mit den Filmen. Er wählte einen Weihnachtsfilm aus und legte die DVD ein und knipste den Fernseher an.

„Meine Güte, er wird ja so schnell erwachsen“, merkte Susanne an, „er kann das alles schon allein bedienen. Selbst ich bin mit den ganzen Fernbedienungen meist überfordert“

Elisa stimmte ihr nickend zu. Während Timi wie gebannt auf den Fernseher sah, setzten die beiden Freundinnen ihr Gespräch fort.

„Wann willst du dich denn endlich mal wieder verabreden?“, stimmte Susanne das altbekannte Thema an und erntete dafür ein Augenrollen.

„Bist du nicht das beste Beispiel dafür, dass eine Beziehung ganz schön anstrengend ist?“, konterte Elisa.

„Du bist blöd. Das ist ja nicht immer so und außerdem ist das mit einer Frau doch ganz anders“, antwortete Susanne überzeugt, woraufhin Elisa in heiteres Lachen ausbrach.

„Das stimmt. Mit einer Frau ist alles noch viel schlimmer“, sie erinnerte an die Eskapaden mit Petra.

„Ja, Petra war ein extremer Fall. Aber sieh es mal so, es kann nun nur noch besser werden. Also ran an die Frau“, Susanne klang wie ein Motivationscoach, weshalb Elisa sie beim besten Willen nicht ernst nehmen konnte. Insgeheim gab sie Susanne Recht. Manchmal fühlte sie sich allein. Natürlich hatte sie Timi und er war ihr ein und alles. Wenn sie jedoch einsam in ihrem Bett lag, dann fehlte ihr, besonders in dieser Jahreszeit, ein warmer Körper zum Ankuscheln. Sie überlegte schon, ob sie sich wieder einen Mann suchen sollte, denn da erhielt sie des Öfteren nette Angebote. Aber wenn sie ehrlich war, dann konnte sie sich eine Beziehung mit einem Mann nicht mehr vorstellen. Timis Vater sollte wohl der letzte seiner Art in ihrem Leben bleiben.

„Es ist halt nicht so einfach eine Frau kennenzulernen. Und ich habe keine Lust auf Kontaktbörsen. Und für die Szene bin ich weiß Gott zu alt. Da springen doch nur junge Hühner rum“

Susanne gab dennoch nicht auf und versuchte es mit zahllosen, teils überzeugenden Argumenten. Und tatsächlich konnte sie Elisa das Versprechen abringen, im nächsten Jahr einen ernsthaften Versuch zu starten.

Der Abspann des Films erschien und Timi drehte sich zu den zwei Frauen rum.

„Mama, glaubst du, das mit dem Weihnachtswunsch funktioniert wirklich?“

Elisa, die noch mitten ins Gespräch vertieft war, konnte ihrem Sohn zunächst nicht folgen.

„Was?“, fragte sie.

„Na, mit dem Weihnachtswunsch. In dem Film hat der Junge seinen Wunsch auf einen Zettel geschrieben und der ist dann in Erfüllung gegangen.“

„Was hat er sich denn gewünscht?“, wollte Susanne wissen.

„Er hat sich gewünscht, dass sein Hund wieder nachhause kommt. Der ist nämlich vorher weggelaufen und an Weihnachten stand er wieder vor der Tür.“

Timi glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann seitdem er zur Schule ging. Trotzdem behielt Weihnachten für ihn diesen besonderen Zauber und insgeheim hoffte er, dass es ihn doch irgendwie gab.

„Und was würdest du dir wünschen?“, fragte Susanne nun.

„Das darf man doch nicht laut sagen, dann funktioniert das nicht.“, Timi rollte verständnislos mit den Augen, „Das muss man aufschreiben“

„Kannst du denn schon so gut schreiben?“

Nun grübelte er, denn daran hatte er gar nicht gedacht.

„Nein“, sagte er schließlich enttäuscht.

„Wie wäre es, wenn du mir den Wunsch ins Ohr flüsterst und ich schreibe ihn auf?“, schlug Susanne vor.

„Jaaaa“, schrie Timi begeistert und machte sich sofort auf die Suche nach Zettel und Stift.

„Ihr müsst euch dann aber auch was wünschen“, befahl der kleine Junge.

„Oh, soweit ich weiß, erfüllen sich nur die Wünsche von Kindern“, Susanne blickte bedauernd.

Auch diese Aussage brachte Timi zum Grübeln. Doch dann hellte sich sein Gesicht auf. Er kletterte auf Susannes Schoß, hielt seine Hand an ihr Ohr und begann zu flüstern. Susanne sah ihn ganz überrascht an, nickte aber dann anerkennend und schrieb etwas auf den Zettel.

„Und was machen wir nun mit dem Zettel?“

„Den werde ich verstecken.“ Timi schnappte das kleine Stück Papier und verschwand damit.

„Was hat er sich gewünscht?“, erkundigte sich Elisa, nachdem Timi außer Hörweite war.

„Das verrate ich nicht“, flötete Susanne.

„Ach komm schon, ich will ihn nicht enttäuschen. Er will bestimmt einen Rennwagen oder so“

„Nein, will er nicht. Und nun lass uns auch einen Wunsch aufschreiben.“, Susanne hielt Elisa einen leeren Zettel hin.

„Das ist doch albern“, antwortete Elisa, griff aber dennoch nach dem Blatt, „Ich weiß außerdem nicht, was ich schreiben soll“

„Dann denk halt noch einen Moment darüber nach“

Susanne nahm sich einen Stift und schrieb etwas auf ihren Zettel, faltete ihn und steckte das Papier in ihre Hosentasche. Elisa dagegen legte ihr weißes Blatt Papier zurück auf den Couchtisch, denn sie hatte keine Idee, was sie sich wünschen sollte.

„Wo ist eigentlich Timi?“, fragte sich Elisa, „Es ist so ruhig. Ich sehe mal nach ihm.“

Sie ging die Treppe hinauf und zu Timis Zimmer, dessen Tür einen Spalt offen stand. Zu Elisas großem Erstaunen lag Timi bereits im Bett und blätterte in einem Comicbuch.

„Was ist denn nun los?“

„Du hast gesagt, ich soll nach dem Film ins Bett“, sagte er, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.

Elisa traute ihren Ohren kaum und war kurz versucht, ihren Sohn auf Fieber zu testen. Stattdessen gab sie ihm einen Gute-Nacht-Kuss und schloss die Tür hinter sich. Als sie wieder im Wohnzimmer ankam, entgegnete ihr Susanne ein lautes Gähnen.

„Ich glaube, ich werde nun auch mal schlafen. Ich hoffe, das ist ok für dich?“

Das war es absolut, denn Elisa hatte morgen ein straffes Programm. Susanne verabschiedete sich und ging in das kleine Gästezimmer, das direkt neben dem Wohnzimmer lag. Nun war es plötzlich ganz still im Raum. Einzig das Knistern und Knacken des Feuers war zu hören, doch die Flammen begannen bereits kleiner zu werden. Richtig müde war Elisa noch nicht, also überlegte sie, was sie zu solch später Stunde noch tun könnte. Vielleicht schreibe ich schon mal den Einkaufszettel für morgen, beschloss sie. Also stand sie auf und holte ihr Rezeptbuch aus der Küche. Sie ging es durch und prüfte, was davon noch besorgt werden musste.

Nun brauchte sie was zum Schreiben, also sah sie sich suchend um. Das Blatt von vorhin war unter den Couchtisch gerutscht, also hob sie es auf und begann damit, ihre Liste zu notieren. Vielleicht stand ja morgen früh wie von Zauberhand alles schon auf dem Küchentisch.  Sie dachte dabei an Timis Wunschzettel und musste über ihren albernen Gedanken kichern. Nachdem sie alles notiert hatte, wollte sie aufstehen, um ins Bett zu gehen. Während sie sich erhob, fiel ihr etwas Helles unter dem Wohnzimmertisch auf. Sie sah genauer nach und erkannte einen zweiten Zettel am Boden. Komisch, sie hätte schwören können, nur ein Blatt von Susanne bekommen zu haben. Und hätte ihr der Zettel nicht eben schon auffallen müssen?

Sie nahm ihn hoch. Er hatte die gleiche Größe wie das erste Blatt. Wahrscheinlich klebten die beiden vorhin einfach dicht aneinander. Sie hielt noch einen Moment inne und hob das Blatt mit beiden Händen vor sich. Ob ich vielleicht doch…? Ach, das ist doch quatsch, ich bin doch kein Kind mehr. Andererseits…Ach was solls. Sie nahm den Stift, schrieb eifrig einige Zeilen und kam sich dabei furchtbar lächerlich vor. Trotzdem faltete sie den Zettel anschließend sorgfältig und steckte ihn in ihre Hosentasche. Anschließend brachte sie das Rezeptbuch zurück zur Küche. Da fiel ihr Blick durch das Küchenfenster, das einen freien Blick zum Nachbarhaus bot. In der zweiten Etage des Hauses war ein kleines, flackerndes Licht hinter der Scheibe eines Fensters zu erkennen. Scheinbar hatte es sich jemand bei Kerzenlicht gemütlich gemacht. Elisa überlegte, welches Zimmer zu diesem Fenster gehörte. Wenn sie sich nicht täuschte, war es das ehemalige Schlafzimmer von Frau Markgraf. Wer war das da drüben wohl? Immerhin schien es so, als würden die alten Möbel noch immer da stehen. Und wer würde sich in das Bett einer fremden Frau legen? Vielleicht ergäbe sich ja morgen die Gelegenheit, den neuen Nachbarn kennenzulernen.

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